Gedanken zur Zucht und Züchterwahl

Zucht – die bis in kleinste Detail durchdachte Wissenschaft? Oder doch nur Zufall?
Unendlich viel steht in Büchern und im Netz zum Thema geschrieben, z.T. werden hochtrabende wissenschaftliche Begriffe benutzt. Ist es so kompliziert und geheimnisvoll oder letztendlich ganz einfach? Ich würde sagen weder noch – der größte Einflussfaktor ist immer noch der Zufall, bedingt durch die Kreatur Hund selbst und durch die individuelle Kombination von zwei Lebewesen und all ihrer Vorfahren. Wichtig ist, dass jeder Züchter ein Zuchtziel hat und dieses auch verfolgt. Niemand marschiert auf einem geraden Weg diesem Ziel entgegen, es gibt Rückschläge und Sackgassen. Es gibt aber auch die unsagbar glücklichen Zufälle. Auch unser Zuchtziel hat sich über die Jahre entwickelt und verändert.

Kann man uns – mit gerade mal 13 Würfen in 21 Jahren (Stand: 07.2020) – überhaupt als Züchter bezeichnen? Ich möchte lieber sagen: Wir machen hin und wieder ausgewählte und wohlüberlegte Verpaarungen. Und jede Verpaarung wählen wir so, dass wir daraus selbst einen Welpen behalten würden - oder gar nicht.

Auch wir haben viele Seminare und Vortragsreihen rund um die Zucht besucht und dabei sehr interessante Erkenntnisse gewonnen. Sollten jedoch die von der Wissenschaft anvisierten Möglichkeiten im Rahmen der Vorausbestimmungen durch genetische Untersuchungen jemals eintreffen, ist für uns der Zeitpunkt gekommen, auszusteigen. Auch in der Hundezucht ist in erster Linie gesunder Menschenverstand gefragt. Jeder Züchter sollte die Stärken und Schwächen seiner eigenen Zuchttiere kennen und ehrlich damit umgehen.

Damit meine ich nicht, dass jedes Detail in die Welt hinausposaunt werden muss. Andererseits sollte man aber auch seine eigenen Hunde nicht nur durch die rosarote Brille betrachten und bei jeder Gelegenheit über den grünen Klee loben (bei anderen macht man dies ja schließlich auch nicht).

 Die eigene Ehrlichkeit sollte sich beziehen auf die vier wesentlichen Aspekte der Zucht:

  • Wesen
  • Gesundheit
  • Arbeitsanlagen
  • Schönheit

Vor einigen Jahren hatte ich selbst diese Kriterien in einem Artikel des Schweizer „Toller-Info“ ganz unbewusst und ohne Hintergedanken in eine bestimmte Rangfolge gebracht und damit indirekt gewichtet. Mir selbst war es während des Schreibens gar nicht bewusst geworden, aber anderen ist es sofort aufgefallen und es führte dann z.T. zu massiver Kritik. Die ‚Arbeitseigenschaften‘ hatte ich dabei an erster Stelle genannt und unwillkürlich haben Leser des Artikels ein Ranking hineininterpretiert – Heute würde ich o.a. Reihenfolge wählen, trotzdem hat mich Hellmuth Wachtel im Rahmen eines Seminars in einer Sache bestärkt: Er sagt, Leistung sei das beste Selektionskriterium.

Doch was ist alle Ehrlichkeit gegenüber den eigenen Hunden wert, wenn ich diese bei potenziellen Deckpartnern nur zögerlich, durch Gerüchte, gefährliches Halbwissen anderer oder gar nicht erfahre? Bleiben wir beim Thema ‚Gesundheit’ – was erfahre ich ohnehin? Messbare Ergebnisse wie HD- und ED - Grad, PRA- oder CEA-Ergebnisse. Von diesen weiß relativ schnell die gesamte Tollerwelt, sind die Ergebnisse nicht veröffentlichungsrelevant oder schlecht, dann werden sie evtl. sogar so gut es geht verschwiegen. Und dies sind ja „nur“ die messbaren Dinge, wie sieht es in anderen Bereichen aus? War der Hund immer gesund? Neigt er zu Allergien? Hat er empfindliche Augen oder bekommt er sogar permanent Medikamente? Auch hier sind wieder vor allem anderen gesunder Menschen- und Hundeverstand sowie die Ehrlichkeit jedes Einzelnen gefordert - und über die macht sich am besten jeder sein eigenes Bild.
Das Beispiel Gesundheit lässt sich auf alle anderen Bereiche – vielleicht mit Ausnahme der „Schönheit“ – reproduzieren. Wie oft habe ich die Aussage „Der arbeitet ja ganz wunderbar, der hat bloß noch keine Prüfungen ...“ schon gehört. Ja, wer’s glaubt?!

Wir versuchen bei der Auswahl eines Deckrüden diesen nach Möglichkeit vorher unter verschiedenen Bedingungen zu erleben sowie von allen möglichen Seiten – auch wenn wir wissen, dass die Aussagen konträr sein können – Informationen einzuholen. Wir gehen mit unseren Hunden erst im Alter von 18 bis 24 Monaten zum HD-Röntgen und wir halten sie in der Zeit davor auch nicht unbedingt von allem (für die Gelenke) Unvernünftigen fern. Was wir wollen ist ein sicheres Ergebnis und nicht ein unter allen Umständen Geschöntes.

Was ist uns noch wichtig zum Thema Zucht? Toller sind unserer Erfahrung nach nicht unbedingt Spätentwickler, aber sie werden doch langsamer erwachsen als vielleicht andere Retriever. Aus diesem Grund nehmen wir unsere Toller nicht zu früh in die Zucht. Nach der Zuchtordnung des DRC dürfen Hündinnen mit 24 Monaten (bei anderen Vereinen gar noch früher) ihren ersten Wurf haben, dies erscheint uns zu früh. Tuffy war beim ersten Deckakt über drei Jahre und Bessh sogar über vier Jahre alt. Bei Bessh kam noch hinzu, dass der Rüde bereits zehn Jahre alt war und über keine große Deckerfahrung verfügte. Was haben wir da nicht alles zu hören bekommen? „Beide zu alt. Das gibt nichts mehr.“ war noch eine der harmloseren Aussagen. Das Resultat waren sieben prächtige und gesunde Hunde.
Wir planen längerfristig nie mehr als drei Würfe pro Hündin. Im DRC darf eine Hündin bis zu vier Würfen haben, bei anderen Vereinen gar fünf. Zu viel für uns. Wir legen unsere mittel- und langfristige Zuchtplanung so aus, dass wir mit einer Hündin nicht mehr als 3 Würfe planen. Wir möchten nicht ausschließen, dass es auch einmal einen vierten Wurf geben könnte, gehen aber nie von vornherein so an die Planung heran. Eine Hündin scheidet mit acht Jahren aus der Zucht aus, dies hingegen scheint uns gerechtfertigt. So bleibt der Hündin zwischen den Würfen genug Zeit, um sich zu erholen und gearbeitet zu werden.

Gehen Sie kritisch an die Wahl „Ihres“ Züchters heran. Sie erwerben schließlich ein Lebewesen, wir sprechen in diesem Zusammenhang immer von Adoptiveltern, mit dem Sie die nächsten zehn bis fünfzehn Jahre zusammenleben wollen. Nehmen Sie frühzeitig Kontakt auf, am besten zu mehreren Züchtern, und schauen Sie sich in Ruhe alles an. Seien Sie aber auch darauf gefasst, selbst näher „unter die Lupe genommen“ zu werden.
Wenn Ihnen schon bei der ersten Kontaktaufnahme ein Welpe zugesagt werden sollte – vielleicht besser Finger weg? Sollte Ihnen hingegen gesagt werden, Sie wären die Nummer 35 auf der Warteliste – wo bleiben da noch Seriosität bzw. Kriterien zur Auswahl der Welpenkäufer?

Hier ein paar Anhaltspunkte, die es unseres Erachtens lohnt, näher betrachtet bzw. hinterfragt zu werden:

  • wie werden die eigenen Hunde gehalten, bzw. wie lebt der Züchter mit ihnen zusammen?
  • ab welchem Alter geht sein Hund in den Zuchteinsatz?
  • wie viele Würfe möchte ein Züchter mit seiner Hündin machen?
  • welche Gesundheitsergebnisse haben seine Zuchthunde und hat er Ihnen die Ergebnisse vorgelegt?
  • welches sind seine Zuchtziele?
  • welches sind seine Kriterien bei der Deckrüdenauswahl?
  • hat er eigene Rüden und verwendet er fast ausnahmslos diese für seine eigenen Würfe?
  • hat er Ihnen auch die Schwächen seiner Hunde aufgezeigt, oder ist alles nur Top-Qualität?
  • was und wie arbeitet er mit seinen Hunden und haben diese Prüfungen abgelegt?
  • hat er mit ihnen 'nur' bis zur Erlangung der Zuchtzulassung gearbeitet?
  • fristen sie hinterher evtl. ein Dasein im Garten oder als "Ball-Junkies"?
  • werden Hündinnen nach dem Zuchteinsatz umplatziert (um nicht zu sagen abgeschoben) und um Platz für neues "Zuchtmaterial" zu schaffen oder dürfen sie weiterhin beim Züchter leben?
  • wo werden die Welpen geboren und wo werden sie aufwachsen?
  • welche Aktivitäten unternimmt er mit den Welpen?
  • welchen Eindruck machen Welpen und Mutterhündin, sind sie gesund, zutraulich, fröhlich und auch neugierig?
  • wo leben die anderen Hunde während der Aufzucht der Welpen?
  • welchen Eindruck hinterlässt das Umfeld (Innen- und Außenauslauf) der Welpen?
  • hat der Züchter bereits Ausflüge (Autofahrten) mit seinen Welpen unternommen?
  • bekommen Sie sofort eine Zusage für einen Welpen?
  • wie stellt er sich die Nachbetreuung vor?
  • interessiert es den Züchter, ob sie mit dem Kleinen eine Welpenspielgruppe und später eine Hundeschule besuchen wollen?
  • gibt er die Welpen mit Schutzvertrag ab, bzw. hat er ein Vorkaufsrecht, falls es zu Problemen kommt?
  • liegt dem Züchter das 'Wohl und Wehe' seiner Kleinen am Herzen, oder steht das Geld im Vordergrund?
  • ist er bereit Ihnen Kontaktadressen zu anderen Welpenkäufern zu geben?
  • bietet er an mit Rat und Tat zur Seite zu stehen, wenn es einmal Fragen bzw. Probleme gibt?

Sie werden sicher noch weitere Fragen auf dem Herzen haben. Stellen Sie sie ruhig und werten Sie die Antworten kritisch. Viele Züchter haben auf ihren Homepages auch Fragebögen für Welpeninteressenten hinterlegt. Schauen Sie sich solch einen Fragebogen ruhig einmal im Vorfeld an. Auch wir gehen davon aus, dass sich Welpeninteressenten bereits ausreichend Gedanken gemacht haben, bevor sie uns das erste Mal kontaktieren.

Schauen, fragen, fühlen und vergleichen Sie und lassen Sie letztendlich Verstand und Herz sprechen! Uns ist es wichtig, weit über die Welpenabgabe hinaus Kontakt zu unseren Adoptiveltern zu halten. Wir möchten erster Ansprechpartner sein bei allen Fragestellungen rund um unsere „Kleinen“, schließlich fühlen wir uns doch ihr ganzes Hundeleben lang für sie verantwortlich.

Dass nur ein Welpe aus einer FCI-Zucht übernommen werden sollte, ist in Zeiten der Informationsflut eigentlich nicht mehr erwähnenswert – oder?